FEHLSCHLÜSSE UND IRRTÜMER
Senators neue Kleider
Am Anfang steht ein Schnitt!
Ihn hat der Schneider ausgedacht,
und zum Patentamt hingebracht,
denn Senatoren-Roben
steh’n staatspolitisch oben!
Man braucht recht festes Tuch,
denn ein Senator präsentiert
den Bauch, weil jener suggeriert:
Bei wichtigen Empfängen
blieb alles an ihm hängen!
Der Schneider greift zur Kreide,
Er überträgt mit ernstem Blick
Rundungen, Falten, einen Knick -
grundlegend Elemente
für politisches Ambiente.
Er klappert mit der Schere
und bringt das Tuch in rechte Form.
Die Zugaben sind ganz enorm,
denn der Senator Dreister
wird sicherlich noch feister!
Jetzt ist die Nadel dran!
Der Schneider rattert mit Bedacht
in Doppelnaht, die haltbar macht,
sonst muss er für den Dicken
demnächst schon wieder flicken.
Das Bügeleisen zischt.
Es ist zu heiß und es versengt
den Platz, wo sonst der Orden hängt.
Es wär’ vielleicht das Beste
Er näht ’ne neue Weste!
Der Schneider weiß sich Rat!
Die braune Stelle wird perfekt
und mehrzweckdienlich abgedeckt
durch eine kleine Tasche
samt Ordenshalter-Lasche.
Schon öffnet sich die Tür!
Zuerst erscheint ein großer Bauch,
der Senatoren-Rest folgt auch
und steigt zur Abschlussprobe
gewichtig in die Robe.
Ein Spiegel steht bereit!
Senator Dreister ist erfüllt
von Ehrfurcht für sein Spiegelbild.
Das Täschchen, sagt er, sei
das kleine i vom Ei!
Dann reist er zum Kongress,
tönt über Allgemeinheitswohl,
vollmundig, aber es klingt hohl.
Wenn nicht die Robe wäre,
dann gähnte um ihn Leere.
Das Plenum applaudiert.
Denn dreist ist, wer dem Dreister nicht
gelehrig nach dem Munde spricht -
das tun selbst seine Neider,
schon wegen dieser Kleider.
Der Kaiser war arm dran!
Doch Senatoren bleiben groß!
Kein Spiegel zeigt sie nackt und bloß,
kein Kritiker entdeckt,
dass nichts in ihnen steckt.
Im Leben geht es so:
Senator Dreister macht schon bald
bei seinem Schneidermeister Halt,
bestellt für seine Blöße,
die nächste Übergröße.