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MONTONE IN UMBRIEN - STADT AUF DEM BERGE

Montone Haupttor

Kurze Stadtgeschichte

Wahrscheinlich entwickelte sich die Siedlung in der Nähe des antiken Schlosses Aries
(Widder, Schafbock = montone)
Die bis heute erhaltene Struktur der Stadt  stammt aus dem Mittelalter. Um 1200 n. Chr. ging die Stadt an das Adelsgeschlecht Fortebraccio über. Die Fortebraccio waren die Herren von Perugia. Reste ihrer während der Kirchenstaat-Zeit zerstörten Burg der Fortebraccio sind in Montone erhalten geblieben. 1518 ging Montone an das Adelsgeschlecht der Vitelli. 1640 wurde die Stadt dem römischen Kirchenstaat unterworfen. 1865 schloss sie sich nach einer Volksabstimmung dem Königreich Italien an

'Wohnstube' der ca.700 Montoneser ist die Piazza di Fortebraccio.Auf knapp 900 qm drängen sich Post,Bank, Bürgermeisteramt, zwei Cafes, ein Schreibwarengeschäft, ein Friseur, ein Blumenladen.
In der Chiesa di San Francesco, befindet sich heute das Museo comunale.Die restliche Anlage der Rocca di Fortebraccio ist heute Freilicht-Theater

Montone Chiostro San Francesco

Morgennebel

Hoch auf dem Berggipfel steht das einstge (Kloster) Chiostro San Francesco.

Die unbezahlbare Aussicht auf die umbrische Landschaft  gab es kostenfrei dazu.
Darin befanden sich zu dieser Zeit Ferienappartements. 

Nur wer sein Auto als Reisemittel bevorzugt, erreicht Montone direkt.Die Stadt liegt vom nächsten Bahnhof in Umbertide ca.6 km entfernt.Von dort aus muss man ein Taxi nehmen.

Unsere Fahrt endete bereits in Arezzo! Da wartete ein Bus auf uns.

Die abendliche Fahrt durch die toskanische und irgendwann umbrische Landschaft versöhnte uns mit der achtzehnstündigen Bahnfahrt Halle-München-Arezzo.

Nach einer guten Stunde Busfahrt führt die Straße in Serpentinen bergauf.
„Jetzt sind wir gleich da“, erklärt Andreas, der Kursleiter.
Links sehen wir die von der Abendsonne vergoldete Landschaft, rechts prallt der Blick an eine gewaltige Mauer aus Felssteinen: Überbleibsel der einst stolzen Burgfeste der Fortebraccio.Am altehrwürdigen Stadttor ist die Fahrt endgültig zu Ende.Was uns jetzt noch von unserem Ziel trennt, muss per pedes bewältigt werden.

Das Stadttor bei der Burg ist nur eine von mehreren Möglichkeiten, ins Innere der Stadt zu gelangen.Eine imposante Stadtmauer lässt erahnen, dass Montone in früherer Zeit eine wehrhafte Festung gewesen sein muss.Rings um die Bergkuppe schmiegt sich Haus an Haus, durchzogen von engen und breiteren, geraden oder verwinkelten, auf- oder absteigenden Gassen und ebenso vielen Treppen.

Durch welches der Tore man Montone auch immer betreten mag, man steigt entweder hinab oder hinauf zur Piazza di Fortebraccio, der ’Wohnstube’ Montones. Was im Städtchen von Wichtigkeit ist: es ereignet sich auf der Piazza di Fortebraccio. Auf höchstens 900qm pulsiert hier das Leben!

Das Bürgermeisteramt, die Bank, die Post, zwei Cafes, ein Friseur, ein Schreibwarenladen, ein Blumenladen beherrschen das Geviert. In den einmündenden Gassen gibt es noch die Apotheke, einen Fleischer – bei dem man auch die Butter kaufen muss – und einen Kaufladen, in dem es kein Brot gibt! Zum Bäcker  muss man sich außerhalb der Stadtmauer auf den Weg machen. Alles kein Problem: der weiteste Weg ist zehn Minuten kurz!

Über der Piazza ragt wie ein erhobener Zeigefinger der Campanile mit der großen Uhr auf.

„Monte Uhro!“ sagt grinsend einer aus der Gruppe, als wir uns an diesem Abend auf der Piazza eifrig um uns selbst drehen, um ja kein Detail der ’Theaterkulisse’ zu übersehen.

Zu unserer Unterkunft steigen wir die Treppen neben dem Monte Uhro hinauf zum höchsten Punkt des Berges. Dort befindet sich das „Chiostro San Francesco“, ein ehemaliges Franziskanerkloster. Es wartet auf mit modernen Ferienunterkünften: Appartements – Einzel-, Doppel- und Mehrbettzimmer – mit Kochnische, Dusche und Toilette.
Der wiederhergestellte Kreuzgang lädt ein zum Verweilen, die Klosterkirche ist Museum. Gratis dazugeliefert wird rundum eine unbezahlbare Aussicht auf die umbrische Landschaft. Aber die Landschaft nehmen wir erst so richtig am nächsten Tag wahr, denn inzwischen schleicht sich die Dunkelheit ein und wir sind hungrig wie Wölfe.

Andreas führt uns wieder treppab – eine weitere Treppe versteht sich – zu einem anderen Stadttor hinaus in einen Pizzeria.

Die Kellnerin freut sich sichtlich über unsere unbeholfenen Italienisch-Versuche und antwortet – weil wir sehr schnell sprachlichen Schiffbruch erleiden – in viel weniger holprigem Deutsch!

Der folgende Morgen bringt den Frühaufstehern ein unvergessliches Erlebnis: Dichter Nebel zieht gegen 6 Uhr auf, füllt alle Täler, verdeckt jede Erhebung und verschont nur das Kloster und die gegenüberliegende Bergkuppe. Wir scheinen abgeschnitten zu sein von der restlichen Welt.

„Die Sonne geht auf! Die Nebel fliehen wie Gespenster…“ (H. Heine, Harzreise) Wer’s gesehen hat, zitiert Heine; wer’s verschlafen hat, ärgert sich, denn … das Phänomen hat sich, solange wir in Montone waren, nie mit gleicher Intensität wiederholt.

Nach dem Frühstück ist die Welt wieder die alte! Wir erinnern uns freudig an unser eigentliches Anliegen: Malen!

Ein Stadtrundgang ist angesagt. Andreas ist unermüdlich im Finden und Aufzeigen von Motiven.Städtchen und Landschaft machen es ihm leicht.

Am Abend dieses Tages sitzen wir wie die Einheimischen in der ’Wohnstube’ di Fortebraccio und klönen bei Wein und Cappuccino über alles Mögliche und über Montone: Sauber und gepflegt ist der Ort – darüber sind sich alle einig!

„Vermutlich kehren sie jeden Tag die Treppen und wischen einmal in der Woche die Gassen“, lästert ein Spaßvogel.

Es ist nach Mitternacht, als sich die Runde zögernd auflöst. Die letzten Gäste der Cafeteria sind wir nicht! Die ’Montonesen’ halten wesentlich länger durch! Kein Wunder: Der Tagesrhythmus ist hier anders als in kühleren Breiten! Zwischen  dreizehn und siebzehn Uhr ist Siesta! Alle Läden sind geschlossen, die Cafes haben nur wegen möglicher Touristen geöffnet.

Kaum jemand ist in den Gassen zu sehen, die Piazza liegt wie ausgestorben, nur die deutschen Maler halten mit Papier und Farben verbissen durch. Sie sind es sich schuldig: Das Bild muss fertig werden. Doch nach zwei weiteren Tagen in der unbarmherzigen Mittagshitze geben auch sie auf, halten im abgedunkelten Zimmer Siesta wie die Einheimischen und machen anschließend buchstäblich die Nacht zum Tage.

Inzwischen kennt man das klecksende Völkchen! Wenn weniger als 700 Menschen auf engem Raum beisammen leben, reichen zwei drei Tage vollkommen aus, um zeitweilig ’Zugewanderte’ entweder zu ignorieren oder einzugemeinden.

Uns mag man, uns ignoriert man nicht! Das erkennen wir daran, dass der eine oder andere Montonese  z u e r s t  freundlich ’buon giorno’ oder ’buona siera’ grüßt, wenn man ihn beim morgendlichen Gießen seiner Blumen antrifft und nach siebzehn Uhr beim gemütlichen Plausch vor der Haustür oder auf der Piazza.

Blumen! Vor jedem Fenster in Töpfen und Kästen, vor jedem Haus in kleinen und großen Kübeln, in winzigen Hausgärtchen, wo immer ein Eckchen frei ist! Dass man diese Blütenpracht immer wieder fotografiert, bemerken die Einheimischen nur scheinbar nicht. Ein rascher Blick aus dem Augenwinkel nach dem behände umherturnenden Fotografen verrät ihren Stolz über die Beachtung und das bereitwillig verteilte 'bellissimo' geht ihnen wie Salböl den Rücken hinunter. 

Allabendlich trifft sich die Gruppe im Kreuzgang des Chiostro San Francesco zum Mal-Rapport. Unter den kritischen Augen des Kursleiters und der gleichfalls den Pinsel schwingenden Kollegen stellt sich manche Tagesarbeit, auf die man stolz war, als Flop heraus und eine, die man unbefriedigt zur Seite gelegt hatte, erweist sich als Treffer!

Nach  der ersten Woche gibt es Montone doppelt - in natura und in Farben auf Papier.

Andreas, manche nennen ihn scherzend ’maestro’, wartet mit einer Überraschung auf: „Wir bekommen einen Raum des ’Museo comunale’ für eine Ausstellung zur Verfügung gestellt.“ Das gibt Auftrieb! Die Kunst läuft auf Hochtouren!

Am Abend vor der Eröffnung der Ausstellung herrscht Hektik: W o h i n  mit diesem Bild? Wirklich  d i e s e s  Bild? Auf keinen Fall  n e b e n  dieses Bild! usw. usw. Der sonst so friedfertige maestro wird grob und scheucht alle wohlmeinenden Ratgeber aus dem Ausstellungsraum. Basta und Tür zu!

An folgenden Nachmittag gibt es dann eine Art ’Hl. Abend’ mitten im Sommer: Vernissage mit Wein und Chips im Kreuzgang, feierliche  Rede vom maestro und ebenso lange italienische Lobpreisung des stellvertretenden Bürgermeisters der Stadt!

Allseits gerührte Künstler schwelgen im  Anblick ihrer Schöpfungen, die der maestro bis in die Nacht hinein auch ohne Rat durchaus harmonisch in Szene gesetzt hat.

Kleiner Wehrmutstropfen am Rande: Die Montonesen als Besucher fehlen! Der Stellvertretende hebt kummervoll die Schultern, die Kulturbegeisterung könne man nicht verordnen! Aber sonst seien es liebenswerte Zeitgenossen.

Glücklicherweise ist Sonntag und damit Touristentag und dadurch Besucherandrang und deshalb kein Mangel an Bewunderern!

Nach acht Uhr Abends wird die gemalte Welt wieder zusammengeschoben, nun beginnt die Finissage, das Festessen auf der Wiesenterrasse  des Chiostro, hoch über Montone im Schein einer tiefgoldenen Abendsonne. Sie schafft es, auch  schlichte Makkaroni wie Götterspeise aussehen zu lassen. Der Wein vergoldet uns von innen!

Vom ’Monte Uhro’ schlägt es dröhnend ein Uhr, aus dem Tal herauf heulen stimmungsvoll die ewig hungrigen Trüffel-Hunde der ’Piave’, dem ehemaligen Vorwerk des Klosters. (In dieser Gegend gibt es Trüffel) Wir sind endlich müde!

Am Montagabend hat Montone sein eigenes Spektakel - ein Filmfestival. Zwischen der Bank und dem Monte Uhro hängt eine große Leinwand, die Piazza gleicht einem Vorführraum, viel lässig oder elegant gekleidetes Volk stellt sich ein und bringt zuerst einmal den beiden Cafes reichen Verdienst. Wir mischen uns unter die Schaulustigen. Die alten Männer Montones räumen zuvorkommend ihre Stammplätze vor dem Eis-Cafe für die deutschen Malerinnen. Sie fühlen sich durchaus als Gastgeber für die Kunst!

Punkt einundzwanzig Uhr soll das Spektakel starten. Der Monte Uhro schlägt neunmal – nichts geschieht auf der Leinwand! Er verkündet die nächste halbe Stunde – auf der Leinwand läuft ein stummes Geschehen ab, das auf dem Kopf balanciert.

Zehn Schläge! Das Bild erlischt, dafür röhrt sekundenlang eine verzerrte Stimme, die irgendeiner entsetzt wieder ausschaltet.

Unerwartet klatscht das Publikum frenetisch! Aha! Das war alles nur Vorspiel! Jetzt geht es erst richtig los: Die Hauptdarsteller des Films sind endlich eingetroffen.

Die Zeit der Reden bricht an - lange und schnell in Italiano und nur unwesentlich kürzer in English.

Schlag zweiundzwanzig Uhr flimmert der Film über die Leinwand, wie es sich gehört.

„Festival mit Verspätung? Aber nein! Wir haben doch die ganze Nacht Zeit!“ erklärt die freundliche Kellnerin. Sie stammt aus Brüssel!

Zeit haben auch wir, aber unsere innere Uhr schreit nach dem Bett, deshalb geben wir gegen zwei Uhr Nachts auf und erfahren so niemals das Ende der Geschichte über "den Mann, der Don Quichotte tötete!“

Am Abend vor der Abreise bereiten uns die Pächter des Chiostro San Francesco  im Klosterhof ein Abschieds-Dinner.

Vielleicht wurden vor 400 Jahren an gleicher Stelle die Armen der Umgebung gespeist; diese Speisung hat mit Armenkost jedenfalls nichts zu tun. Es  gibt Spezialitäten der italienischen Küche, dazu einen Wein, der der Seele Flügel verleiht und die Kniekehlen weich macht, eine durchaus angenehme Kombination!

Der maestro dolmetscht unermüdlich und schafft es trotzdem zu essen!

Kofferpacken ist ein trauriges Geschäft.

Jeder schiebt es bis zur letztmöglichen Minute hinaus und streift durch Montone. Es gibt sogar einige, die an diesem Tag noch malen! Wie bei unserer Ankunft ziehen wir dann in den Abendstunden als Schwarm duch Montone: diesmal nur über die Treppe h i n u n t e r  am Monte Uro vorbei. Auf der Piazza sitzen die klöneneden Montonesen. Man scheint uns den Abschied anzusehen oder die Mundpropaganda war schneller.

"Arrividerci", ruft die Kellnerin aus der Cafeteria und von allen Ecken erreicht uns dert gleiche Gruß. Einer schwingt sich sogar auf zum ’Aufiederrsen!’  

Wir rufen und winken zurück und wissen doch, dass viele von uns nur noch via Erinnerung nach Montone, der Stadt auf dem Berge, zurückkehren werden.

Der Bus bringt und zum Bahnhof nach Arezzo.

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