top of page

DON QUICHOTTE DE LA BRITANNIA

Ulrich Siwik

Eine venezianische Nacht ist der rechte Zeitpunkt für romantische Spaziergänge durch Gassen und Gässchen.
Nicht alle führen über Brücken unter denen leise glucksend die dunklen Wasser dahingleiten.
Viele enden am Wasser: nasse Parkplätze für Venedigs schwimmende Verkehrsmittel!
Gässchen und Brücken helfen dem Eilenden über die allgegenwärtigen Wasser.
Mister Jonny-Look-At-The-Sky i s t in Eile aber zu seinem Unglück im falschen Gässchen!
Beladen mit Reisetasche in der Linken und Reiseführer in der Rechten fällt er mit gewaltigem Platsch in die nächtlich-schwarzen Wasser des Kanals.
Mitleidig über Wasser gehalten durch das geblähte Segel seines Anoraks will er - immer gentlemanlike - Buch und Tasche dem Wasser nicht überlassen:
Aber auch ein Engländer hat nur zwei Hände!
"Help! Help! Help me!," jammert er traurig von unten herauf. Der Sog zieht den hilflos Rudernden sacht unter den Holzsteg ...
Die Reisetasche dockt hilfreich am Pfahl für Kähne an und holt ihn so durch ihren Widerstand zurück.
Endlich entlässt er den Reiseführer aus seiner Umklammerung und rettet das Buch mit hastigem Wurf auf die Holzplanken.
Den gleichen Dienst will er auch der Tasche erweisen, doch ganz unverhofft kündigt das Anorak-Segel den Dienst auf.
Er braucht nun dringend b e i d e Hände zum Über-Wasser-Halten!
"Stupid, stupid!" beklagt er seine Lage, hastig mit den Beinen rudernd und mit ausgestreckten Armen am Holzsteg hängend.
Träge dümpelt die Reisetasche um den Pfahl herum ...
Ein Fenster tut sich auf und ein Schwall italienischer Ratschläge trifft den glücklosen Schwimmer wie ein zusätzlicher Guss von oben.
Endlich nahen die Retter und ziehen ihn aus dem Kanal: lang, dünn, unsagbar schlammig und niedergeschlagen,
einen Don Quichotte de la Britannia, gerettet noch vor seiner Tasche in einer Nacht in Venedig! 

bottom of page